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1931–2021
Immer wieder taucht in den kammermusikalischen Werken des bedeutenden Schweizer
Komponisten Rudolf Kelterborn die Gitarre auf, bereits 1963 in der viersätzigen,
noch von der Dodekaphonie ausgehenden Musik für Violine und
Gitarre, 1986 in den Fünf Monologen für Gitarre solo, dann 1994
in den Drei Metamorphosen für Violine, Gitarre und Kontrabass und
schließlich 1997 im Ensemble-Buch II für zehn Instrumente,
darunter gleich zwei Gitarren.
Kelterborns Schreib- und Denkweise lässt sich exemplarisch an den Six
Short Pieces für Flöte, Viola und Gitarre aus dem Jahre 1984
aufzeigen.
I: sehr gleichmäßig – ein Bewegungs- und Klangraster
(„Uhrwerk“), dessen Statik durch lange Flötentöne (liberamente)
unterbrochen, gebrochen wird, das Stück „öffnet“ sich, verbindet
Motorik (misurato) und quasi freie Haltetöne.
II: von der Gitarre begleitet beginnt die Bratsche (poco f non troppo, molto
espressivo) einen Dialog mit der Flöte, die die Kantilene der Bratsche
umspielt, verziert, imitiert, sich darum herumrankt.
Wieder endet der Satz – wie schon der erste – in einem formelhaften
Element der Gitarre (eine Tonwiederholung, im dritten wird es dann ein Pendeln
um eine kleine Terz sein, dieselbe Terz mit der im ersten Satz die Flöte die
„Spieluhr“ anhielt). Auch den Vierten beschließt die Gitarre mit
einem solchen Pendeln und im letzten Satz besteht der Gitarrenpart praktisch nur
noch aus einer Ansammlung aller vorhergegangenen Schlussfloskeln …
… so (oder ähnlich) könnte der musikalische Ablauf der Six Short
Pieces weiter leicht nacherzählt werden. Leicht, weil jedes Stück
ganz klar einer musikalischen Idee folgt, die auch ohne tiefschürfende Analyse
zu verstehen ist.
Ich werde aber den Verdacht nicht los, dass hinter dem betont unterkühlten
Understatement schon des Titels und der geradezu „klassisch“ klaren
Gestalt jedes dieser sechs Charakterstücke mehr steckt als nur selbstgenügsames
Gefallen am Erfinden gut gemachter („sinnfälliger“) Musik. Eigentlich
habe ich es schon ganz nebenbei verraten in dem Wort „Charakterstücke“:
die Stücke haben Charakter! Zuweilen vielleicht klischeehaften (III: „ein
geisterhaftes Presto“, so Kelterborns Programmhefttext), aber nicht erst bei
den Mahler-
Andreas Grün
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