Andreas Grün
Ravi Shankar
*1920
L’aube enchantée
Der Inder Ravi Shankar wurde als Sitarspieler weltweit berühmt, weil er
die Grenzen der traditionellen indischen Musik sprengend auch mit Musikern anderer
Kulturen zusammenarbeitete, wie etwa mit Yehudi Menuhin, Phillip Glass oder den
Beatles. Zu einer Zeit, als „west meets east“ noch wirklich interessante
Begegnungen und Erfahrungen versprach (und nicht wie heute oft nur noch kommerziellen
Weltmusik-Kitsch), schrieb er für Jean-Pierre Rampal „en souvenir
de notre expérience musicale commune“ das Stück L’aube enchantée (Sur le
Raga “Todi”).
Todi, ein Morgen-Raga, schwankt und schwebt für unsere mitteleuropäische
Ohren zwischen zwei tonalen Zentren, d-Moll und B-Dur
(was in der Originalfassung für Flöte und Harfe deutlicher zum Ausdruck
kommt als in der im Handel befindlichen Bearbeitung für Flöte und Gitarre
– weswegen ich mich bei der Einrichtung der Gitarrenstimme so gut es ging
an der Harfenfassung orientiert habe). Ohne zu wissen, ob die beiden Tongeschlechter
auch von indischen Ohren als solche wahrgenommen werden, kommt mir diese Dualität
vor wie ein Ringen des Tageslichtes mit der Dunkelheit.
Andreas Grün