Andreas Grün

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Felix Werder

1922–2012

Three Night Pieces • Triphony • the importance of being frank

In Berlin geboren, studierte Werder bei seinem Vater, einem jüdischen Kantor, emigrierte 1934 zunächst nach England und 1940 nach Australien, wo er als Dozent, Musikkritiker und Rundfunk-Redakteur arbeitete und sich insbesondere als Opernkomponist einen Namen machte. So schrieb er unter anderem eine der Opern, mit denen die Sidney-Opera eröffnet wurde, The Affaire.
Felix Werders Three Night Pieces (1972) scheinen sich nach Überschrift und dem Manuskript vorangestelltem Titelbild (Caspar David Friedrich: Ein Mann und eine Frau in Betrachtung des Mondes) in die romantische Tradition der Nachtstücke einzureihen. Nicht ganz so romantisch, wenn auch zur Mondthematik passend, die Texte, die am Beginn der drei Sätze stehen:

Ein schwarzer Efeu frisst sich tief
in meine Wand hinein. Ich hänge schief
vom Mond herab. Ich rinne hin
zum Schleim des Wurms.

Die Bäume standen alle grau und krank
im Wald herum, weil in dem Bach der Tag ertrank.
Du aber warfst die Kleider fort vom Leib
und hast ein weißes Licht
mir angezündet, du, mein Abendweib,
mit Wurzelhaar und Tiergesicht.
Und immer werden meine Augen hell und weit,
wenn in der Nacht mir solch ein Mond erscheint.

Es schwamm der Mond in mein Gemach hinein,
weil er da draußen so allein
bei den entlaubten Bäumen stand.

Es handelt sich dabei um Bruchstücke aus den Lasterhaften Balladen und Liedern des François Villon, wie die deutsche „Nachdichtung“ des expressionistischen Dichters Paul Zech überschrieben ist, deren Vorlagen zwar von François Villon (1431 – nach 1463) stammen sollen, im Werk des Vagantenlyrikers aber nur in wenigen Fällen verifizierbar sind.
Beim Spielen des Werkes begegnet man erst einmal einem recht undurchschaubaren, atonalen Gebilde, das vor allem durch einige wiederkehrende Motive und Harmonien zusammengehalten wird. Einige tonale Relikte – Dreiklänge, Septakkorde, diatonische Tonfolgen – scheinen sich versehentlich dahineinverirrt zu haben. – Erst nach und nach offenbart sich, dass die Komposition in weit umfangreicherem Maße von tonalen „Ahnungen“ und Allusionen durchzogen ist, und dass sich viele Dissonanzen, ja sogar die zentralen harmonischen Konstellationen, als Jazzharmonien deuten lassen. Die Vermutung, dass hier – wie übrigens auch in der Triphony für Flöte, Kontrabass und Gitarre oder in the importance of being frank für zwei Flöten, Gitarre, Klavier und Violoncello – eine Art Melange aus harmonischen und rhythmischen Andeutungen verschiedener Jazzstile einen Hintergrund bildet, der durch einen wilden Neue-Musik-Vorhang immer wieder hindurchschimmert, wird untermauert durch die Tatsache, dass Werder im „Australia Felix Ensemble“ – einer Gruppierung, die ohne Grenzziehung E- und U-Musik spielte und viel improvisierte – den E-Bass traktiert hat.
Ganz so düster-nächtlich, wie der erste Eindruck es glauben machen könnte, sind die Night Pieces also in ihrer unbekümmerten Adaption verschiedener Stile nicht. Und wenn man Villon/Zech weiterliest, bekommen auch die „Mottos“ eine andere Farbe:

Es schwamm der Mond in mein Gemach hinein,
weil er da draußen so allein
bei den entlaubten Bäumen stand.
Ich habe ihm ein Kissen hingerückt,
damit er ruhen konnte, und er tats beglückt
sich untern Kopf. Ich legte ihm die Hand
schnell auf die Augen, und da schlief er auch.
Mich aber plagte schlechte Luft im Bauch.

Andreas Grün

PLAYThree Night Pieces  (SoundCloud)

CD-Veröffentlichung

Flöte plus – Frank Michael (Flöte) und Andreas Grün (Gitarre)
Felix Werder, Three Night Pieces, u. a.; Thorofon, CTH 2086

 


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